Neinsagen lernen – so geht’s
Ja, man kann Nein sagen lernen. Lesen Sie, wann und warum Nein sagen wichtig ist und wie Sie besser Grenzen setzen können.
Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:
Natürlich brauchen wir alle mal Hilfe und sollten allein deshalb nicht egoistisch durch die Welt laufen. Dennoch dürfen wir auch mal Anfragen ablehnen.
Inhaltsverzeichis
Nein, eigentlich möchte ich diesen Text nicht mit einem Nein beginnen. Schließlich will ich Sie einladen: „Ja, lesen Sie diesen Text übers Neinsagen!“ Und schon frage ich mich, ob mein erster Gedanke bereits ein ambivalentes Verhältnis zum Nein ausdrückt. Dabei ist das Wörtchen gar nicht so negativ wie sein Ruf – im Gegenteil: Nein ist mindestens so wichtig wie Ja, um ein gesundes Leben in Balance zu führen.
Warum wir uns oft scheuen, Nein zu sagen
Kennen Sie das auch? Manchmal sagen wir Ja, obwohl wir Nein fühlen: Für die Kollegin eine Schicht übernehmen, obwohl wir den Tag anders verplant hatten? Na gut. Be ersten realen Date mit dem Tinder-Flirt ins Schwimmbad gehen? Eigentlich zu intim, aber man will ja nicht prüde rüberkommen. Catsitting trotz Allergie? Not amused, but yes! Warum tun wir uns das immer wieder an? Die Antworten können vielfältig sein: Wir wollen unser Gegenüber nicht vor den Kopf stoßen, verletzen oder enttäuschen. Wir scheuen mögliche Konflikte oder negative Konsequenzen. Wir haben zu wenig Selbstbewusstsein oder Durchsetzungsvermögen, um ein Nein auszusprechen und konsequent dabei zu bleiben. Oder wir können nur schwierig Prioritäten setzen und versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen.
„Die Fähigkeit, das Wort Nein auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit.“
Nicolas Chamfort, französischer Moralist
Oft rührt das Dilemma daher, dass wir von klein auf gelernt haben, dass Neinsagen unhöflich oder ungezogen ist. Deshalb meldet sich schnell unser schlechtes Gewissen, wenn wir eine Anfrage ablehnen. Manchmal steckt auch die Angst dahinter, dass die anderen eine schlechte Meinung von uns haben könnten und uns nicht mehr mögen.
Wer es aber immer allen recht machen möchte, verleugnet die eigenen Bedürfnisse – und ist leichter manipulierbar. Es besteht die Gefahr, sich zu übernehmen, was zu Stress, Müdigkeit, im Extremfall zu Burn-out führen kann. Übrigens: Menschen, die anderen immer gefallen wollen, nennt man People Pleaser – langfristig eine anstrengende Haltung, die wenig authentisch ist und sicher nicht glücklich macht.

Warum Neinsagen so wichtig ist
Nein sagen zu lernen, ist eine Schlüsselfähigkeit für unser Wohlbefinden, unsere Selbstachtung und gesunde zwischenmenschliche Beziehungen. Wer immer nur Ja sagt – aus Nettigkeit, aus Angst vor Ablehnung oder mangelndem Durchsetzungsvermögen –, läuft Gefahr, eigene Wünsche und Bedürfnisse zu vernachlässigen. Das kann zu Überlastung und Unzufriedenheit führen.
Video: Die Angst vor dem Nein.
Hunde sind bemerkenswerte Tiere, die aus dem Leben vieler Menschen nicht mehr wegzudenken sind. Der folgende Film wirft einen liebenswerten (aber auch kritischen) Blick auf unseren liebsten Begleiter und das Leben mit ihm.
Wer Nein sagen lernt, schützt persönliche Ressourcen wie Zeit, Energie, mentale Gesundheit. Zudem zeigen wir, dass wir wissen, was uns wichtig ist und wo unsere Grenzen sind. So senden wir klare, selbstbewusste Signale an unsere Umgebung. Das ist oft auch für die Menschen um uns herum einfacher. Für die Qualität unserer Beziehungen hat Neinsagen eine große Bedeutung. Denn wenn man sich stets verpflichtet fühlt, alles mitzumachen, entsteht ein Ungleichgewicht, das auf Dauer zu Frust und Streit oder sogar Machtspielchen führt.

Nein sagen lernen: 7 Tipps
Einfach mal Nein sagen? Ist gar nicht so einfach. Dennoch gibt es Wege aus dem Teufelskreis des Immer-JaSagens. So stehen Sie für sich selbst ein, ohne anderen auf den Schlips zu treten:
1. Erst mal Bedenkzeit
Wer sagt, dass Sie sofort antworten müssen! Sätze wie „Lass mich kurz prüfen, ob das für mich passt“ oder „Ich gebe dir morgen Bescheid“ geben Ihnen Bedenkzeit, Ihre eigenen Prioritäten abzuwägen, ohne unter Druck zu handeln. Bedenken Sie dabei auch, welche Folgen ein Nein für Ihr Gegenüber haben würde: Nicht immer lässt man jemanden im Stich, oft kann er oder sie eine andere Lösung finden!
2. Klare, aber freundliche Absage
Oft reicht eine klare Formulierung wie „Das kann ich gerade nicht übernehmen“ oder „Nein danke, das ist für mich im Moment nicht möglich“. Vermeiden Sie es, sich zu rechtfertigen, das schwächt das Nein oftmals.
3. Standardantworten vorbereiten
Manche Situationen wiederholen sich – sei es im Beruf oder Freundeskreis. Überlegen Sie sich ein paar Standardformulierungen, mit denen Sie sich wohlfühlen: freundlich, aber bestimmt und ohne viele Entschuldigungen.
4. Prioritäten und Konsequenzen bewusst machen
Notieren Sie, was Ihnen wichtig ist: Familie, Gesundheit, Freizeit, Erfolg, Selbstachtung, Freunde? Eine Ja-oder-Nein-Entscheidung ist dann leichter zu treffen. Überlegen Sie sich in der jeweiligen Situation auch die Konsequenzen, die ein Nein oder Ja haben wird und welche für Sie (langfristig) besser sind.
5. Ich-Botschaft, kurze Begründung
Statt „Du kommst wieder auf den letzten Drücker“ besser: „Ich habe bereits etwas vereinbart“ oder „Ich würde gerne helfen, aber ich brauche die Zeit für mich“. Durch das Anfügen des Kontexts drücken Sie Empathie aus und bleiben gleichzeitig standhaft, erklärt Jeffrey Bernstein, Psychologe und Autor zahlreicher Ratgeberbücher. Das macht es dem Gegenüber oft leichter, das Nein nachzuvollziehen und anzunehmen (und ist noch kein Rechtfertigen).
6. Neinsagen ist nicht egoistisch
Machen Sie sich bewusst, dass es nicht zwangsläufig unhöflich oder egoistisch ist, Nein zu sagen, sondern eine wichtige Kompetenz, um selbstbestimmt zu leben. Sie können dennoch ein hilfsbereiter, empathischer und sozialer Mensch sein. Setzen Sie Prioritäten, dann haben Sie für wichtige Ja-ich-helfe-gerne-Situationen auch Kraft und Zeit. Klappt es damit dennoch einmal nicht, bieten Sie an, ein andermal gerne wieder zu helfen (wenn dies der Wahrheit entspricht).
7. Schuldgefühle managen
Schuldgefühle sind normal, wenn man den Wunsch eines anderen Menschen ausschlägt. Ordnen Sie sie als Teil Ihres Lernprozesses ein, wie es Psychologe Jeffrey Bernstein sieht: „Schuldgefühle können ein Zeichen dafür sein, dass man sich von der Gewohnheit, anderen zu gefallen, verabschiedet und gesündere Grenzen zieht.“ Machen Sie sich dennoch klar, dass Sie nicht für die Lösung aller Probleme verantwortlich sind – und dass ein falsches Ja auch negative Konsequenzen hat: Mindestens werden Sie sich über sich selbst ärgern.
Nein sagen lernen heißt nicht, eine kalte Hundeschnauze zu sein. Es geht darum, nicht mehr ungewollt Ja zu sagen, wenn man Nein denkt. Es geht um eine gesunde Abgrenzung und darum, sich nicht ausnutzen zu lassen. In diesem Kontext ist ein ehrliches Nein zu jemand anderem oft ein Ja zu sich selbst. Zudem ist so ein klares Auftreten auch ein wichtiges Vorbild für Kinder, die ebenfalls Nein sagen lernen sollten. Gut, wenn sie es zu Hause üben dürfen!
Zur Autorin: Barbara Lang kennt das Ja-sagen-und-Nein-meinen-Dilemma. Meist passiert ihr das, wenn sie zu schnell antwortet. Deshalb ist Tipp Nr. 1 künftig ihre Nummer eins!
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