Mit Kindern über Krisen sprechen: Tipps für einfühlsame Gespräche
Kriege und Eskalationen bestimmen das aktuelle Weltgeschehen. Kinder macht das oft ängstlich. So können Eltern mit Kindern über Krisen sprechen und ihnen mehr Sicherheitsgefühl geben.
Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:
Medienberichte konfrontieren Kinder mit schlimmen Nachrichten. In dieser schwierigen Situation helfen Geborgenheit und Gespräche passend zum Entwicklungsstand.
Inhaltsverzeichnis
Überschwemmungen und Wirbelstürme als Auswirkungen des Klimawandels, Terroranschläge mit Todesopfern, Gefechte in Kriegsgebieten wie dem Gazastreifen und der Ukraine: Das sind Themen, über die Sara Bildau als politische Journalistin beim ZDF berichtet. Privat würde sie ihre Töchter am liebsten „vor allem Bösen da draußen“ schützen. Doch die beiden bekommen durch Gespräche, Medienberichte sowie Grund- und weiterführende Schule so viel mit, dass sie wissen wollen: „Mama, kommt der Krieg auch zu uns?“ oder „Wer sind denn die Talibans?“.
Wie schlechte Nachrichten und Krisen sich auf Kinder und Jugendliche auswirken
Diese Sorgen sind keine Ausnahme: Laut Shell-Jugendstudie 2024 haben 80 % der befragten 12- bis 24-Jährigen Angst vor einem Krieg in Europa, zwei Drittel vor Klimawandel, Umweltverschmutzung und wachsender Feindseligkeit. „Objektiv gibt es immer wieder globale Herausforderungen. Aber die Häufung und Überlappung mehrerer Krisen gleichzeitig ist aktuell besonders belastend“, erklärt Psychologin Prof. Dr. Eva Asselmann die Umfrageergebnisse. „Noch nie war es so leicht, sich in einem Strudel negativer Nachrichten zu verlieren.“ Der Stress, den diese Situation erzeugt, schlage sich nicht nur in Angst und Sorgen nieder, sondern auch im Körper mit Schlafproblemen, Anspannung und Erschöpfung.
Omnipräsent: Weltgeschehen und Fake News
Selbst wenn das vielen Eltern nicht recht ist: Kinder werden mit dem Weltgeschehen konfrontiert. Denn egal ob auf Infoscreens in der U-Bahn, als Schlagzeile am Zeitungskiosk oder via Handyvideo von Freunden – Nachrichten über Gewalt und Zerstörung sind omnipräsent, darunter immer mehr furchteinflößende Fake News, die die allgemeine Katastrophenstimmung noch weiter verstärken. Solche Hiobsbotschaften beschäftigen und beunruhigen viele Kinder. (Bewegt-)Bilder sind dabei besonders wirkmächtig, weil visuelle Reize das Gehirn rasend schnell erreichen und sich ins Gedächtnis einbrennen – je dramatischer, desto nachhaltiger. Umso wichtiger für Eltern zu wissen, wie sie richtig mit ihren Kindern über Krisen sprechen.

Wichtig: Sicherheitsgefühl und Geborgenheit
Das Gefühl, dass Krisen und Katastrophen zunehmen, kollidiert mit einem starken Streben nach Sicherheit: Laut Shell-Jugendstudie hat es bei 87 % eine ebenso hohe Bedeutung wie das Ideal der eigenen Unabhängigkeit, des Lebensgenusses und der Selbstverwirklichung. Allein lassen sollten Eltern ihre Kinder nicht mit diesem Dilemma. Doch wie „eine Welt erklären, die zu verstehen uns selbst immer schwerer fällt“, fragt sich Sara Bildau. Um das herauszufinden, hat sie für ihr Buch „Mama, kommt der Krieg auch zu uns?“ unterschiedlichste Fachleute befragt. Ihr Fazit: Kinder haben ein Recht auf Information, brauchen aber Einordnung, Geborgenheit und Unterstützung der Eltern, um beängstigende Nachrichten zu verarbeiten.
Richtig: Mit Kindern über Krisen sprechen
Wenn Eltern mit Kindern über Krisen sprechen, ist ein altersgerechter Austausch je nach Entwicklungsstand das A und O – insbesondere wenn Kinder den Eindruck machen, dass sie etwas belastet. Dann sollten Mütter und Väter ohne Drängen nachfragen, kindliche Ängste und Sorgen ernst nehmen, sensibel auf sie eingehen, Krisen und Konflikte sachlich, ohne lange Vorträge oder zu komplizierte Infos erklären. Dabei können spezielle Kindernachrichten wie die ZDF-Sendung „logo“ helfen. Sie berichten abgestimmt auf junges Publikum über alles, was in der Welt passiert und wichtig ist, schildern komplizierte Sachverhalte mit kindgerechten Videos, Grafiken und Reportagen. Die Überzeugung der logo-Redaktion ist: „Was Kinder verstehen und einordnen können, macht sie emotional sicherer.“
Für Halt, Struktur und Schutzräume sorgen
Wenn Eltern mit ihren Kindern über Krisen sprechen, dürfen sie ehrlich zum Ausdruck bringen, dass auch sie besorgt sind, wenn die Sommer hierzulande heißer werden oder ultrarechte Parteien Erfolge feiern. Denn Kinder reagieren wie Seismographen auf Stimmungen. Es nützt also nichts, unerschütterlich zu tun, sich aber nicht so zu fühlen. Trotzdem sollten Eltern Halt und Struktur geben, für Nähe, Rituale, Trost und Schutzräume sorgen – egal ob beim Kuscheln auf dem Sofa oder Vorlesen im Bett. „Der Alltag hat mein größtes Gestaltungspotenzial“, weiß Resilienz-Coach René Träder, den Sara Bildau interviewt hat. „Wir sollten den Kindern zeigen, dass es bei all dem Negativen auf der Welt auch Positives gibt: Menschen helfen anderen, Menschen gehen für Frieden auf die Straße.“ Dazu können auch Familien gemeinsam aktiv beitragen.

Selbstwirksamkeit als Schlüssel
Mutmacher können Geschichten von Helden sein, die friedlich zu Veränderungen beigetragen haben. „Kinder brauchen früh das Gefühl, dass sie Herausforderungen bewältigen können“, bestätigt Eva Asselmann. „Das bedeutet nicht, alles für sie zu lösen, sondern ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben.“ Damit seien sie auch für Krisen gewappnet, auf die sie selbst keinen Einfluss nehmen können. „Selbstwirksamkeit heißt nicht, alles kontrollieren zu können. Es bedeutet, sich trotz Unsicherheit handlungsfähig zu fühlen. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit bleiben stabiler, reagieren flexibler, geraten weniger in eine mentale Schockstarre.“
Trotz Krise navigieren können
Um jungen Menschen mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu geben, testet die Psychologin im Rahmen der SELFTIE-Studie ein digitales Programm mit kleinen, alltagstauglichen Impulsen, die direkt angewendet werden können – eine präventive Strategie, die sich positiv auf Wohlbefinden und psychische Gesundheit auswirken kann. Ziel ist es, in schwierigen Phasen das Gefühl zu haben, trotz Krise navigieren zu können. Dann werde diese nicht zur Bedrohung, sondern zur Wachstumschance. Aber „es geht um die Dosis. Zu viele unkontrollierbare Belastungen führen zu Überforderung“ – ein Zustand, der derzeit viele Kinder und Jugendliche plagt.
Video: 5 Tipps fürs Krisen-/Kriegsgespräche
Ein animiertes Video des Erzieherkanals mit fünf Tipps und Herangehensweisen erklärt, wie man authentisch, wertschätzend und aufbauend mit Kindern über Krieg spricht.
Lektüretipps
Bücher, Internetseiten und Podcasts, die Familien den Umgang mit dem aktuellen Weltgeschehen und die Kommunikation miteinander erleichtern.
„Mama, kommt der Krieg auch zu uns?“ von Sara Bildau (Gräfe und Unzer)
Buch einer Politikjournalistin und Mutter über die Frage, wie man Kindern die Weltlage erklärt.
„Wie man in verrückten Zeiten nicht den Verstand verliert“ von Philippa Perry (Ullstein)
Leitfaden für ein Leben in unruhigen Zeiten mit Übungen für mehr Gelassenheit und Optimismus.
„Zehn wirklich wichtige Gespräche, die Kinder und Eltern wachsen lassen“ von Nicola Schmidt (Gräfe und Unzer)
Hilfe und Anregungen für tiefgehende Gespräche mit Kindern in verschiedenen Lebensphasen.
zdf.de
Internetseite der Kindernachrichtensendung des ZDF mit Links zu Sendungen, Nachrichten des Tages oder der Woche und Erklärvideos.
kika.de
Hilfreiche Tipps, wie Eltern mit Kindern über Krieg und Krisen sprechen, ihnen Ängste vor Katastrophen oder Anschlägen nehmen und Sicherheit geben können.
schau-hin.info
Ratgeber mit Informationen über aktuelle Entwicklungen der Medienwelt sowie alltagstauglichen Tipps, wie Eltern Medienkonsum von Kindern kompetent begleiten können – egal ob TikTok, soziale Netzwerke oder Games.
fragfinn.de
Suchmaschine für Kinder zwischen sechs und zwölf, mit der sie den Umgang mit unterschiedlichen Internetangeboten lernen, aber gleichzeitig sichergestellt ist, dass sie nur auf unbedenklichen, geprüften Internetseiten landen.
selftie-studie.de
Innovatives Online-Training für mehr Vertrauen in eigene Fähigkeiten, bei dem Teilnehmende eine Studie unterstützen und selbst profitieren.
Zur Autorin: Antoinette Schmelter-Kaiser liest die SZ, den Spiegel und hört regelmäßig Radionachrichten, ihre Tochter (25) informiert sich bevorzugt über Info-Podcasts. Bei gemeinsamen Treffen wird immer häufiger über weltpolitische Themen diskutiert.
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