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Gesund

Schmerzempfinden ist verschieden!

Die Schmerzschwelle von Frauen, Männern, Kindern ist unterschiedlich – so wie der Schmerz. Über Schmerzempfindung, Schmerzreize und was sie beeinflusst.

Text: Karen Cop

Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:

Weil Schmerzen mehr sind als Warnsignale – und weil wir unser Schmerzempfinden auch beeinflussen können.

„Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ Diesen Spruch kennt jedes Kind, aber was ist dran? Stimmt es zum Beispiel, dass Männer weniger Schmerz empfinden als Frauen, oder schreien manche nur nicht gleich laut auf, wenn sie in einen Dorn treten, weil ihre Urjägerreflexe ihnen verbieten, ihre Beute aufzuscheuchen? Über Schmerzreize und Schmerzschwellen ist viel geforscht worden, denn mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland leiden an chronischen Schmerzen, die sie in ihrem Alltag belasten. Doch Schmerz ist nicht gleich Schmerz. Der letzte Schmerzkongress der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG) hatte deshalb das Motto „Gleich und doch verschieden“. „Schmerz ist ein vielfältiges Phänomen. Jeder Mensch leidet an ganz individuellen Beschwerden und spricht auf seine eigene Art auf die verschiedenen Therapiemöglichkeiten an“, sagte Kongresspräsidentin Professor Dr. Ulrike Bingel, Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Essen.

Schmerz ist ein Warnsignal

Schmerzen sind ein Frühwarnsignal vor Gefahr, doch um die unterschiedliche Schmerzwahrnehmung zu verstehen, ist interessant, wie sie entstehen. Erst vor wenigen Jahren konnte ein Forscherteam am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München zeigen, dass es bei der Entstehung des Schmerzempfindens keine klare Reihenfolge gibt wie zum Beispiel: Wir verbrennen uns die Hand, der Körper schickt über die Nervenzellen und Botenstoffe das Warnsignal an das Gehirn und wir reagieren mit unserem angeborenen Reflex und ziehen die Hand schnell weg. Die Studie zeigte, „dass Wahrnehmung, Handlungsimpuls und Energiebereitstellung gleichzeitig und nicht wie erwartet nacheinander im Gehirn entstehen.“ Es gibt auch kein spezifisches Schmerzzentrum im Gehirn, vielmehr entwickelt ein ganzes Netzwerk das Schmerzempfinden – und manchmal fühlen Menschen weniger oder gar keinen Schmerz, den andere unerträglich finden. Dazu später.

Schmerzfühler: die Nozizeptoren

Dass wir überhaupt Schmerz wahrnehmen können, liegt an den Nozizeptoren. Diese spezialisierten Rezeptoren sind freie Nervenendigungen, die in fast allen Körpergeweben vorkommen: in den Knochen, Sehnen, Muskeln, Organen und besonders zahlreich in der Haut. Sie wandeln den Schmerz auslösenden Reiz in ein Signal um. Das Nervensystem und das Rückenmark leiten es weiter zum Gehirn. So weit funktioniert stark vereinfacht der Prozess der Nozizeption. Ab hier wird es komplizierter, denn es kann durchaus sein, dass der Schmerz, der einen Gewebeschaden melden soll, von einem Menschen stark, vom anderen weniger, vom dritten gar nicht wahrgenommen wird.

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Wie empfinden wir Schmerz? Und was hat die Psyche damit zu tun? Im 3sat-Scobel-Interview mit Neurowissenschaftlerin Katja Wiech geht man diesen Fragen nach:

Körpereigene Schmerzmittel

Der menschliche Körper produziert einige natürliche Schmerzmittel. Östrogen ist ein gutes Beispiel: Wenn während der Schwangerschaft der Östrogenspiegel steigt, sinkt die Schmerzschwelle der Frauen. Auch körpereigene Botenstoffe wie die Endorphine können das Schmerzempfinden positiv beeinflussen. Und nicht nur Gebärende erleben, wie Schmerzen verschwinden, weil der Körper Glückshormone ausschüttet bei der Geburt des Babys, auch Sportler erleben dies beim Ausdauertraining oder während eines Marathons. Zudem spielt die Psyche eine große Rolle. Wird sie mit den richtigen Mitteln wie etwa als angenehm empfundener Musik abgelenkt, relativiert und verändert sich das Schmerzempfinden. Deshalb ist Musiktherapie bei Schmerzpatienten so erfolgreich. Laut Nachricht der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. verringert sich auch „durch den Einsatz von Entspannungsmusik vor, während oder nach einer Operation der Schmerzmittelbedarf deutlich“.

Schmerzempfinden ist messbar

Das Schmerzempfinden ist also subjektiv, die Schmerzschwelle kann durch viele Faktoren beeinflusst werden. Es gibt Studien, die zeigen, dass männliche Schmerzpatienten, die von attraktiven Ärztinnen behandelt werden, weniger Schmerz empfinden (oder nicht zugeben). Studien zur Häufigkeit von Schmerzen zeigen, dass Frauen generell mehr unter Schmerzen leiden als Männer. Die Ursachen dieses Unterschieds bleiben aber umstritten. Eine Studie der Universität Manchester bewies, dass das Schmerzempfinden auch vom Wetter abhängt und chronische Schmerzpatienten an Tagen mit höherer Luftfeuchtigkeit, niedrigerem Luftdruck und stärkerem Wind schmerzempfindlicher sind. Möchten Sie auch an einer Erhebung teilnehmen? Auf schmerzgesellschaft.de finden Sie eine App, die zum interaktiven Schmerzfragebogen eines wissenschaftlichen Umfragetools führt. Bei der klinischen Schmerzmessung beurteilen Patienten die Schmerzstärke auf einer Skala von 0 („kein Schmerz“) bis 10 („stärkster vorstellbarer Schmerz“).

Hämmernde Kopfschmerzen und Migräne werden als besonders schmerzhaft empfunden, aber es gibt kein spezifisches Schmerzzentrum im Gehirn – die sogenannten Nozizeptoren sind spezialisierte Nervenzellen, die im ganzen Körper verteilt sind.

Unempfindlich gegen Schmerzen?

Manche Menschen empfinden Phantomschmerzen an Gliedmaßen, die sie nicht mehr haben. Doch Schmerzen tun immer weh, es gibt keine eingebildeten. Andere scheinen jedoch unempfindlicher gegen Schmerzen zu sein oder sie kaum bis fast gar nicht zu spüren, etwa Patienten mit Borderline-Syndrom. Bei Stress versuchen sie typischerweise, sich „zu spüren“, und verletzen sich selbst. Forschungen zeigten zum Beispiel am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim und der Universität Mainz, dass die Schmerzweiterleitung bei den Patienten normal funktioniert, aber das Zentralnervensystem offenbar in der Lage ist, den Schmerzreiz zu unterdrücken.

Schmerzhafte Gefühle

Auch psychischer Schmerz kann sehr wehtun, wie jeder weiß, der die Trennung von einem geliebten Menschen oder gar seinen Tod erlebt hat. Zu den psychischen Schmerzen gezählt werden Angst, Ärger, Eifersucht, Trauer oder Wut. Allen gemein ist, dass der seelische Schmerz ohne sichtbare Verletzung zu spürbarem Schmerz wird: als spitzer, greller oder dumpf bohrender im ganzen Körper, als Magenschmerz oder das Herz zerbrechend, wie unter vielen anderen Kulturschaffenden Heinrich Heine geschrieben hat: „Nur eine kennt meinen Schmerz: Sie hat ja selbst zerrissen, zerrissen mir das Herz.“ Dann hilft reden besser als ein Schmerzmittel, zum Beispiel bei nummergegenkummer.de oder telefonseelsorge.de.

Zur Autorin: Karen Cop ist nicht nur Gesundheitsjournalistin, sondern auch Mutter von zwei Kindern und weiß deshalb aus Erfahrung, was für eine tolle Schmerzmittelfabrik unser Körper ist: Direkt nach der Geburt ihres Sohnes hätte sie am liebsten eine rauschende Party gefeiert.

Stand: Juni 2021

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