Die gute Stube hat ausgedient
Sie ist ein bisschen wie der Wolf im Schafspelz. „Aber was hat sie denn gegen Schaffelle?“, werden Sie fragen. Nix! Aber sie bringen mich in ein Dilemma …
Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:
Indoor oder Outdoor? Couch oder Matsch? Wer diese Frage im Winter klar für sich beantworten kann, ist unserer Autorin schon weit voraus.
Inhaltsverzeichis
„Immer rein in die gute Stube“, sagt man traditionell, wenn man Gästen die Türe öffnet. Die gute Stube. Heute nennt niemand mehr sein Zuhause so. Dennoch hat das etwas sehr Heimeliges. Es klingt nach knisterndem Kaminfeuer, während draußen der Schnee durchs Dunkel wirbelt. Meine Freundin hat so eine gute Stube: mit viel Holz, Specksteinofen und Blick auf die Berge. Ich übe mich noch daran, so eine Gemütlichkeit und Geborgenheit in meine Stadtwohnung zu bekommen. Es ist ein wenig fußkalt auf meinem Parkett und die Alpen liegen über hundert Kilometer hinter den Hauswänden meiner Nachbarn.
Dennoch: Ich mag meine „gute Bude“! Im Sommer stehen alle Fenster und Türen weit offen, damit das Vogelgezwitscher hereinkommt. Und wenn draußen der Schnee stürmt, gibt es wärmende Schaffelle, Kissen, Decken, Kerzen und literweise heißen Tee. Zwar habe ich schon immer von einem Kaminofen geträumt, aber – ganz ehrlich – hätte ich einen: Ich würde zwischen November und Mai nicht mehr meine Wohnung verlassen. Das ist so schon schwierig genug …
Schnarch around the clock
Vielleicht kennen Sie das: Irgendwann im Laufe des Oktobers verwandelt sich die Couch zu einem textilen Magneten, dessen Anziehungskraft man sich kaum erwehren kann. Während man im Spätsommer noch voller Tatendrang Richtung Herbst und Winter geblickt hat – der festen Überzeugung, jeden Tag einen kraftvollen Matsch-Regen-Schnee-Spaziergang zu absolvieren – muss man spätestens ab Ende November größte Disziplin aufbringen, um für ein paar Stunden aus den Kissen und Decken des Sofas aufzutauchen. Die Prioritätenliste der wichtigsten Alltagstätigkeiten schrumpft in dieser Phase oft schlagartig auf essen, trinken, duschen, Geld verdienen.
„Gebt den Leuten mehr Schlaf – und sie werden wacher sein, wenn sie wach sind.“
Kurt Tucholsky
Sie erkennen sich wieder? Dann erinnern Sie sich mal an die Lockdownzeiten: Was haben wir über Ausgangssperren und Kontaktverbote gejammert. Der Bummel durch die Innenstadt schien uns auch bei größten Regengüssen das verlockendste Vergnügen zu sein. Und die Liste der Freunde, die wir dringend mal wieder zum Essen einladen wollten, verlängerte sich von Tag zu Tag … Vorgestern rief mich eine Freundin an und wollte mit mir ausgehen. Ich wand mich innerlich und in meinen Kissen, wollte sie am liebsten auf später – also so etwa Anfang Juni – vertrösten und stammelte irgendwas von „heute so platt“. Wenn das so weitergeht, werde ich noch einsam und allein sterben. Nur wegen einer Couch und einem Schaffell.
Die Gemütlichkeit ist ein hinterlistiges Stück
Lassen Sie sich deshalb einen guten Rat geben: Machen Sie sich’s zu Hause nicht zu gemütlich! Eine gute Stube generiert nur Stubenhocker – die sich Winter für Winter immer mehr einem Elisenlebkuchen angleichen. Oder einem beigefarbenen, leicht ins Gräulich gehenden, abgegriffenen, ollen Kissen mit Staubfusseln. Jawoll!
Wollen wir das? Natürlich nicht! Also, ein Hoch auf die nur halbgemütlichen Wohnungen ohne Kaminofen und mit etwas zu harter Couch: Eure Bewohnerinnen und Bewohner können sich glücklich schätzen, euch auch im Winter leichtfüßig verlassen zu können und für ein, zwei Stunden gegen einen gesunden Waldspaziergang einzutauschen. Oder – ums mit Schiller zu sagen: „Strebe nach Ruhe. Aber durch das Gleichgewicht, nicht durch den Stillstand deiner Tätigkeit.“ In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen ausbalancierten Winter – drinnen und draußen!
Zur Autorin: Lara Buck schreibt ihre Artikel und Kolumnen im Homeoffice – gerne auch mal auf der Couch. Zwischen Kissen und Decken verstecken sich manchmal gute Einfälle!
Das könnte Sie auch interessieren:
Artikel teilen auf